Der Anstieg des CRB-Rohstoff-Index um + 65 % seit 1. Mai 2020 und die „Preis-Explosion“ bei den Frachtraten machen deutlich, dass eine massive „Preiswelle“ auf uns zu rollt. Der Preis für einen Standard-Container von China nach Europa stieg seit Nov. 2020 von 2.000 $ auf bis zu 12.000 $ (+ 500 %). Die Frachtraten für Rohstoffe (Baltic Dry Index) stiegen von 423 $ auf 2.277 $ (+ 438 %). Beispiele für Preisanstiege an den US-Rohstoffbörsen seit 1. Mai 2020: WTI Öl + 214 %, Bauholz (Lumber) + 300 %, Baumwolle + 51 %, Mais + 85 %, Schweine + 64 %, Rinder + 62 %, Kupfer + 82 %, Aluminium + 56 %.
Auch das deutsche Statistische Bundesamt hat kürzlich einen Hinweis für unsere These geliefert. Demnach sind die deutschen Erzeugerpreise im März (im Vergleich zum März 2020) um + 3,7 % gestiegen. Dies war der stärkste Anstieg seit November 2011. Verantwortlich für den Anstieg der gewerblichen Erzeugerpreise waren höhere Preise für Energie (+ 8 %) und Vorleistungsgüter wie metallische Sekundärstoffe (+ 46,8 %), Futtermitteln für Nutztiere (+ 15,9 %), gesägtem Holz (+ 13,9 %) und Metallen (+ 12,9 %).
Da sich bei Rohstoffen gerade ein neuer „Superzyklus“ etabliert, werden sich diese Preisanstiege fortsetzen. Ein Anstieg der Erzeugerpreise ist immer ein Hinweis auf eine bevorstehende „Konsumgüterpreisinflation“, weil die Unternehmen die höheren Kosten auf die Verbraucher umlegen. Da mit einem Ende der Corona-Pandemie eine Auflösung des Nachfragestaus zu erwarten ist, werden die Unternehmen diesmal kein Problem damit haben, die höheren Kosten auf ihre Kunden abzuwälzen. Die Ökonomen hatten sich mit ihrer Prognose zum Erzeugerpreisanstieg im März (sie erwarteten + 3,3 %) mal wieder deutlich verschätzt. Was bedeutet das nun für die Zukunft der Verbraucherpreise?
Für das Jahr 2021 erwarten die Ökonomen im Durchschnitt einen Anstieg der Konsumgüterpreise um + 1,5 %. In 2020 betrug der Anstieg pandemiebedingt nur noch + 0,5 %. Aus diesen beiden Zahlen kann man natürlich nicht auf einen „Gezeitenwechsel“ bei der „Konsumgüterpreisinflation“ schließen. Aber: In den letzten 27 Jahren lag die durchschnittliche Preissteigerungsrate bei 1,3 %. Die Schwankungsbreite lag dabei zwischen + 0,3 % (in 2009) und + 2,6 % (in 1994 und 2008). Insgesamt gab es also 27 Jahre lang Ruhe an der „Preisfront“. Ganz anders sah die Situation in den 1970er Jahren aus: In den 11 Jahren von 1971 bis 1981 (inkl.) lag die durchschnittliche jährliche Preissteigerungsrate bei erstaunlichen + 5,1 %! Nach der radikalen „Antiinflationspolitik“ durch den damaligen FED-Chef Paul Volcker hatte sich die durchschnittliche jährliche Preissteigerungsrate in den 1980er Jahren ungefähr halbiert. Erst in den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung gingen die Preise temporär wieder stärker nach oben, nämlich um + 2,8 % in 1990, um + 3,7 % in 1991, um + 5,0 % in 1992 und um + 4,5 % in 1992. Genau wie heute wurden auch damals riesige schuldenfinanzierte Fiskalpakete geschnürt. Die Jahre nach der Wiedervereinigung haben deshalb gezeigt, dass ein durch eine Sondersituation entstandener Nachfrageschub die Preise deutlich in die Höhe treiben kann. Den Preis-Effekt durch die Auflösung des pandemiebedingten Nachfragestaus und durch die gewaltigen Fiskalpakete schätzen wir dabei wesentlich größer ein als den Preis-Effekt durch die deutsche Wiedervereinigung. Warum dürfte der Preisauftrieb durch die aktuelle Sondersituation diesmal kräftiger und nachhaltiger ausfallen?
Um eine solche Ansage zu machen, brauchen wir keinen Großcomputer, um alle volkswirtschaftlichen Daten zu erfassen, wie das die führenden Ökonomen tun. Es genügt der „gesunde Menschenverstand“, zumal die Themen „Globalisierung“ und „Demographie“ in den Computermodellen der Ökonomen erst gar nicht berücksichtigt werden.
In den 1990er Jahren war die Deutsche Bundesbank ihren Stabilitätszielen verpflichtet und agierte mit einer entsprechend angepassten Geldpolitik. Heute ist alles anders. Die Regie hat die EZB übernommen, und die verfolgt, genau wie die FED, eine ultralockere Geldpolitik. In Kombination mit der ausufernden Schuldenpolitik, die wegen der Corona-Pandemie nicht zu vermeiden war, sieht das Ergebnis wie folgt aus:
- Rekordverdächtige Aufblähung der Notenbankbilanzen durch eine hemmungslose „Gelddruckerei“
- Rekordverdächtige Ausweitung der Geldmenge
- Negative Leitzinsen
- Negative Renditen bei deutschen Staatsanleihen
- Rekordverdächtige Schuldenaufnahme
- Staatsfinanzierung mit der Notenpresse
- Rekordanstieg bei Vermögenspreisen (Immobilien, Rohstoffe, Aktien)
Gleichzeitig gibt es einen Investitionsstau bei:
- Ausbau und Erneuerung der Infrastruktur
- Digitalisierung von Staat und Wirtschaft
- Umweltschutzmaßnahmen zur Erfüllung der Klimaziele
- Bildung
Zu dem Investitionsstau bei Staat und Industrie hat sich jetzt wegen der „Lockdowns“ und „Shutdowns“ zu allem Überfluss ein „Nachfragestau“ bei „Konsumgütern“ gesellt. Wenn man nun wie bei „Adam Riese“ „eins + eins“ zusammenrechnet, dann kann man sich leicht vorstellen, was das alles in Sachen „Konsumgüterpreisinflation“ bedeutet. Pandemiebedingt ist es derzeit doch so, dass nicht die Wirtschaft den Staat finanziert, sondern der Staat die Wirtschaft. Wie lange dieser Zustand noch anhalten wird ist schwer zu sagen. Es wird wohl darauf ankommen, dass es nach der dritten Welle nicht noch eine vierte oder fünfte Welle mit mutierten Viren gibt.
Wir stellen fest: Eine massive „Inflationsgefahr“ droht jetzt aus allen Richtungen gleichzeitig, und die Auflösung des Nachfragestaus nach Ende der Corona-Pandemie wird zur „Initialzündung“. Der große Nachholbedarf wird es den Unternehmen erleichtern, höhere Preise durchzusetzen. Mit höheren Preisen müssen die Unternehmen versuchen, die Umsatzausfälle der letzten beiden Jahre wettzumachen, um trotz der inzwischen höheren Schuldenbelastung zahlungsfähig zu bleiben. Wir gehen davon aus, dass nach der „Initialzündung“ die Preise zunächst viel stärker steigen, als das viele Ökonomen derzeit vermuten. Eine einmal in Gang gesetzte „Preissteigerungs-Welle“ ist auch gar nicht leicht zu stoppen, und schon gar nicht verflüchtigt sie sich ganz von alleine. Jeder Notenbanker müsste eigentlich wissen, dass es einen derartigen Automatismus nicht gibt und noch nie gegeben hat. Richtig ist vielmehr, dass eine einmal in Gang gesetzte „Preissteigerungs-Welle“ ein sich selbst verstärkendes Gebilde ist. Dies gilt erst recht, wenn die Notenbanken, wie angekündigt, ihre ultralockere Geldpolitik unbeirrt fortsetzen.
Jeder Anleger wäre demnach gut beraten, seine Anlagestrategie an einem länger anhaltenden „Inflationsszenario“ auszurichten.