Sonderthema: Inflation und Wirtschaftskrise

Unsere Einschätzung aus 2021!


Krisen – heute und damals

In Europa und den USA haben wir es derzeit mit der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg zu tun. Noch schlimmer sieht es mit der Wirtschaft in Großbritannien aus. Brexit + Corona-Pandemie haben den Briten die schwerste Wirtschaftskrise seit 300 Jahren beschert. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme ist es naheliegend, Vergleiche zur großen Depression der 1930er Jahre zu ziehen. Es ist grundsätzlich nie verkehrt, die Dinge aus der wirtschaftshistorischen Perspektive zu betrachten, um daraus etwas für die Gegenwart resp. Zukunft zu lernen. Tatsächlich laufen „Börsen-Crashs“ fast immer nach dem gleichen Muster ab, aber gilt das auch für schwere Wirtschaftskrisen?

Es gibt frappierende Ähnlichkeiten zur großen Depression der 1930er Jahre, aber auch gravierende Unterschiede. Zunächst einmal muss man die aktuelle pandemiebedingte Krise im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008 sehen. Schon bei der Bewältigung der Finanzkrise 2008 hatten die verantwortlichen Politiker und Notenbanker aus der Krise der 1930er Jahre gelernt. Die Regierungen haben auf die verheerende Austeritätspolitik der 1930er Jahre verzichtet und die Notenbanken haben extrem viel Liquidität bereitgestellt, um den totalen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Die Politik hat ihren Beitrag geleistet, indem sie durch großangelegte defizitfinanzierte Konjunkturprogramme die Wirtschaftskreisläufe in Gang gehalten hat. Dank des koordinierten und schnellen Handelns konnte in 2008/09 eine Depression verhindert werden, während man in den 1930er Jahren durch eine restriktive Geld- und Fiskalpolitik die Krise verschärfte.

Die extremen Maßnahmen der Geld- und Fiskalpolitik nach der Lehman-Pleite 2008 waren aus unserer Sicht richtig und alternativlos, denn der drohende Systemzusammenbruch konnte verhindert werden. Wir haben aber von Beginn an gewarnt, dass die aggressiven geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen irreversibel seien, und eine Rückkehr zu einer Zinsnormalität nicht mehr möglich sei. Unzählige Male haben wir darauf hingewiesen, dass ein wirtschaftlicher Zusammenbruch drohe, sobald man versuchen würde, die aggressiven geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen zurückzudrehen. Unzählige Male haben wir die Situation mit einem Süchtigen verglichen, bei dem man die Dosis ständig erhöhen müsse, um noch eine Wirkung zu erzielen. Wie man in den letzten Jahren gesehen hat, war unsere Prognose zu 100 % richtig.

Die Quantitative Easing Programme wurden bis heute immer umfangreicher, die EZB manipulierte die Zinsen sogar in den negativen Bereich und die US-Staatsverschuldung ist aufgrund umfangreicher Konjunkturprogramme längst in einem kritischen Bereich angekommen. Die Ironie an den Geschehnissen der letzten Jahre ist es, dass genau die expansive Geld- und Fiskalpolitik, die notwendig war, um einen Systemzusammenbruch zu verhindern, in letzter Konsequenz die nächste Finanzkrise herbeiführen wird, die aufgrund weiterer „Rettungspakete“ zum fiskalischen Ruin vieler Staaten und zum endgültigen Zusammenbruch des aktuellen Finanzsystems führen wird. Als Lösung des Problems hatten wir vorgeschlagen, die drohende Gefahr eines unkontrollierten Zusammenbruchs des Finanzsystems dadurch zu verhindern, indem man durch eine Neuordnung des Wirtschafts- und Währungssystems („Reset“) die Gefahr aktiv und kontrolliert beseitigt. Auch wenn bei einem kontrollierten „Reset“ die Sparer enteignet werden und man versuchen muss, durch Lastenausgleichsgesetze die Vermögensverluste gleichmäßig auf viele Schultern zu verteilen, wäre das immer noch viel besser, als ein „unkontrollierter“ Zusammenbruch, der zu noch größeren „sozialen Flurschäden“ führen würde. Da bisher nichts unternommen wurde, um die bestehende Finanzarchitektur fundamental zu ändern (oder zu sanieren), ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis die nächste Finanzkrise einen „Reset“ erzwingt. Anleger sollten deshalb entsprechend vorbereitet sein.

Welche offensichtlichen Ähnlichkeiten gibt es heute zur Situation vor der Finanzkrise 1929/30?

Erstens: Schon in den 1920er Jahren gab es eine Häuserpreisblase in Florida und die Blase an den Aktienbörsen, die durch kreditfinanzierte Käufe angeheizt wurde und im Herbst 1929 platzte, kennt wohl jeder. In Europa kennen wir die Explosion der Immobilienpreise in Spanien und Irland, und in den USA platze die Immobilienblase mit der Lehmann-Pleite 2008. Der damalige Crash an den Immobilien- und Aktienmärkten hat nichts daran geändert, dass die Blasenbildungen an den Immobilien- und Aktienmärkten heute noch extremere Formen angenommen haben. Die Kurse an den Aktienmärkten haben teilweise mit der fundamentalen Realität nichts mehr zu tun. Als Rechtfertigung für die 11-jährigeJahrhundert-Hausse“ kann nur noch das niedrige Zinsniveau dienen.

Zweitens: In 1929 gab es reihenweise Bankpleiten. In 2008 gab es die Pleite der Lehman Brothers, die zum Beinahe-Kollaps des Finanzsystems führte. Um Ähnliches wie 1929 zu verhindern, haben die Regierungen Rettungspakete für systemrelevante Banken geschnürt und selbst vor Verstaatlichungen nicht zurückgeschreckt. Die Notenbanken haben den Banken zusätzlich unbegrenzte Liquidität zur Verfügung gestellt. Trotz staatlicher Garantien und unbegrenzter Liquiditätsversorgung durch die Notenbanken ist das Bankensystem nicht sicherer, sondern eher fragiler geworden. Da Banken wegen der Minizinsen im Kreditgeschäft kein Geld verdienen können, basiert deren Geschäftsmodell auf Börsenspekulationen. Auch wenn Banken die Möglichkeit haben, Börsenkurse zu manipulieren und ihre Kunden nach allen Regeln der Kunst zu betrügen, kann ein Geschäftsmodell, das nur auf Spekulation basiert, nicht auf Dauer gutgehen. Dies dürfte zuletzt auch Warren Buffett gedämmert haben, als er seine umfangreichen Bankbeteiligungen veräußert hat.

Drittens: Auch das teilweise betrügerische Wirken von Finanzmarkt-Akteuren gab es damals wie heute. In den 1920er Jahren fielen die Leute auf das Schneeballsystem eines gewissen Charles Ponzi herein, in jüngster Zeit trieben Bernie Madoff und andere „Finanzmarktakteure“ ihr Unwesen. Immer mehr Menschen haben sich wegen der niedrigen Renditen auf das „Zocken“ mit der Hoffnung auf schnelle Gewinne verlegt. Gezockt wird mit Bitcoins und anderen Kryptowährungen, mit absurd hoch bewerteten Neuemissionen und mit hunderttausenden Derivaten. Zu Recht bezeichnet Warren Buffett die Vielzahl der Derivate als „Massenvernichtungswaffen“ gegen das Finanzsystem.

Viertens: Als die Wirtschaft nach dem Börsencrash 1929 in den USA und Europa einbrach (gemessen am GDP) stieg die Staatsverschuldung kräftig an. Die US-Schuldenquote (staatlich und privat) erreichte 1933 einen Höchststand von 300 % des GDP. Damals lahmte die Wirtschaft und es kam zu Pleiten und Arbeitslosigkeit. Da Steuereinnahmen fehlten, stieg die Verschuldungsquote in Relation zum schrumpfenden GDP stark an, obwohl die Regierung gleichzeitig eine Sparpolitik verfolgte. Heute ist es so, dass die staatliche Verschuldung neue Rekordniveaus erreicht, während gleichzeitig das GDP stark einbricht. Außerdem wird die Verschuldung von Firmen und privaten Haushalten langsam zum Problem.

Damals gab es wie heute angeschlagene Banken, eine Überschuldung bei Staaten, Firmen und privaten Haushalten, Immobilien- und Aktienmarktblasen sowie einen Hang der Menschen zum „Zocken“. Es gab damals wie heute auch eine immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Armen und Reichen. Neben diesen Ähnlichkeiten gibt es heute aber auch gravierende Unterschiede zu damals.

Erstens: Es gibt heute stärker ausgebaute Sozialstaaten als in den 1920er Jahren. Die steigenden Staatsausgaben während einer Krise werden durch höhere Ausgaben für Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld sowie durch sonstige Sozialausgaben verursacht. Solche Ausgaben wirken wie automatische Stabilisatoren. Die Einkommen weiter Bevölkerungsschichten werden einigermaßen stabilisiert, was letztlich auch die Krise bei Firmen und Banken abfedert.

Zweitens: Heute gibt es eine internationale Zusammenarbeit von Regierungen und Notenbanken, die im Notfall eine effektive und schnelle Krisenbekämpfung ermöglicht. 1929 war es so, dass die meisten Regierungen eigene Wege gingen und außerdem viel zu spät reagierten. Auf Anraten von John Maynard Keynes handelten die Briten als erste, Deutschland viel später und die USA bildeten das Schlusslicht.

Drittens: Bei Ausbruch der Krise 1929 gab es den Goldstandard, der eine rasche monetäre Expansion durch die Notenbanken verhinderte. Zwar gab es auch damals schon die Giralgeldschöpfung durch die Banken, aber die Banken kämpften ums Überleben und hatten Besseres zu tun, als die Wirtschaft durch eine üppige Kreditversorgung in Schwung zu halten. Heute können die Notenbanken unbegrenzt Liquidität zur Verfügung stellen, ohne den Beschränkungen des Goldstandards zu unterliegen.

Viertens: Infolge der diversen Unterschiede zu heute fiel in der Krise der Jahre 1929-1936 der Rückgang des realen GDP pro Kopf viel kräftiger aus als in der Krise nach 2008 und auch viel kräftiger als in der aktuellen Corona-Krise. Dagegen gab es nach dem vierten Krisenjahr 1932 einen V-förmigen Erholungsverlauf. Bis 1936 (im 8. Jahr nach Ausbruch der Krise) hatte sich die US-Wirtschaft auf das Vorkrisen-Niveau erholt. Anders in Europa: Nach 2011 gab es in Europa eine kleine „Double-Dip-Rezession“, sodass die Erholung nach Krisenbeginn in 2008 weniger dynamisch verlief. Das reale GDP pro Kopf erreichte bis 2015 noch nicht einmal das Vorkrisenniveau. Man kann aus diesem Sachverhalt schließen, dass wirtschaftliche Erholungen nach einer „abgefederten Krise“ ungeheuer zäh verlaufen. Dies bestärkt uns in der Vermutung, dass heutzutage die geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen immer größere Umfänge annehmen müssen, damit die Wirtschaft noch positiv beeinflusst werden kann.

Fünftens: Die Börsen reagieren heute nicht auf das schwache wirtschaftliche Umfeld, weil der größte Teil der von den Notenbanken zur Verfügung gestellten Liquidität nicht in die Realwirtschaft, sondern an die Börsen fließt.

Fazit: Der Vergleich mit der Depression von 1929 hilft wenig. Die Situation heute ist unberechenbar und nicht weniger fragil!

Schulden- und Geldmengen-Explosion

Präsident Biden hat diese Jahr gegen die Stimmen der Republikaner sein 1.900 Mrd. $ schweres Corona-Hilfspaket durch Senat und Repräsentantenhaus gebracht. 400 Mio. $ sind für eine Einmalzahlung von 1.400 $ pro US-Bürger vorgesehen. 350 Mrd. $ sollen Kommunen und Bundesstaaten erhalten. Ferner gibt es eine zusätzliche Arbeitslosenhilfe von 300 $/Woche. Binnen eines einzigen Jahres haben sich nun die Gesamtausgaben für die Corona-Hilfspakete damit auf 6.000 Mrd. $ erhöht. Wir finden, dass die Hilfspakete wichtig und notwendig sind, um die US-Wirtschaft während der Corona-Pandemie in Gang zu halten.

Allerdings darf man nicht verkennen, dass die amerikanische „Schulden-Explosion“ von einer noch aggressiveren Geldpolitik der FED begleitet sein wird. Die jüngsten missverstandenen Äußerungen von FED-Chef Jerome Powell werden sich deshalb bald relativieren. Powells Äußerungen Anfang des Jahres wurden so verstanden, dass er keine spezielle Strategie verfolge, um den deutlichen Rendite-Anstieg bei US-Treasuries zu bremsen. Die „Taten“ der FED sprechen allerdings eine andere Sprache: Nach wie vor kauft die FED jeden Monat US-Treasuries für 120 Mrd. $ und zusätzlich Hypotheken-Papiere für 40 Mrd. $. Finanziert wird das Anleihen-Kaufprogramm natürlich mit frisch gedrucktem Geld (Quantitative Easing). Dass eine solche Politik „per se“ ein „Geldwertvernichtungsprogramm“ ist, sollte Jedem klar sein. Merkwürdigerweise hat die ausufernde „Staatsfinanzierung mit der Notenpresse“ jahrelang weder in den USA, noch in Europa zu einer entsprechenden Expansion der Geldmenge geführt.

Durch die gigantischen Anleihen-Kaufprogramme kam es zu einer massiven Geldschöpfung in Form von Zentralbankgeld (Banken verkauften Staatsanleihen an die FED und erhöhten dadurch ihr Guthaben bei der FED). Die massive Schaffung von Zentralbankgeld führte aber nicht zu einer entsprechenden Zunahme des in der Wirtschaft umlaufenden Geldes. Das in der Wirtschaft umlaufende Geld wird bekanntlich mit den Geldmengenaggregaten M1, M2 und M3 gemessen. Hauptsächlich bestehen die Geldmengenaggregate aus Kunden-Guthaben bei den Geschäftsbanken. Bei diesen Geldmengenaggregaten gab es bis 2019 keine außergewöhnlichen Zunahmen. Binnen Jahresfrist hat sich das zumindest in den USA dramatisch verändert. Von Februar 2020 bis Januar 2021 stieg die US-Geldmenge M2 von 15.459 Mrd. $ auf 19.394 Mrd. $. Die Geldmenge M1 explodierte im gleichen Zeitraum von 4.003 Mrd. $ auf 18.105 Mrd. $. Einen derart exponentiellen Anstieg der Geldmenge M1 hat es in der Nachkriegsgeschichte noch nie gegeben. Das Wachstum der FED-Bilanzsumme hat sich in den letzten 18 Monaten ebenfalls extrem beschleunigt. Bis zur Lehman-Pleite in 2008 lag die Bilanzsumme der FED relativ konstant bei 905 Mrd. $. Durch die QE-Politik stieg sie bis September 2019 auf 3.769 Mrd. $ und bis heute hat sie sich auf 7.557 Mrd. $ noch einmal verdoppelt. Im Klartext: In den 11 Jahre nach der Finanzkrise 2008 bis September 2019 hat die Bilanzsumme der FED um + 2.864 Mrd. $ zugelegt, aber in nur 18 Monaten stieg die Bilanzsumme der FED um weitere + 3.788 Mrd. $. Die „Gelddruckerei“ der FED hat damit völlig neue Dimensionen erreicht.

Wie lässt sich nun die plötzliche Explosion der US-Geldmenge in den letzten 18 Monaten erklären? Die einzige Erklärung ist eine verstärkte Giralgeldschöpfung durch die US-Banken. Praktisch schaffen Banken Sichtguthaben bei Kunden, indem sie Kredite vergeben und/oder Aktiva (Wertpapiere, Devisen) erwerben. Die Erhöhung der Sichtguthaben von Kunden erhöht die Geldmenge M1 um den gleichen Betrag. Tatsächlich gab es eine rekordverdächtige Kreditvergabe von US-Banken an Unternehmen und gleichzeitig kauften die Geschäftsbanken in großem Stil US-Treasuries und Hypothekenpapiere. Letztlich ist die verstärkte Giralgeldschöpfung durch die Banken aber auf die immensen staatlichen Hilfen zurückzuführen, die einen pandemiebedingten Zusammenbruch der Wirtschaft verhindern sollten.

Die Geldmengenexplosion hatte bisher allerdings kaum Auswirkungen auf die Preise von Gütern und Dienstleistungen. Von der Geldschwemme profitiert haben bisher nur die Finanz- und Immobilienmärkte, aber nicht die Realwirtschaft (Asset Price Inflation).

Ob die Preise früher oder später steigen werden, darüber streiten sich die Analysten derzeit. Einerseits könnte sich nach Überwindung der Corona-Pandemie ein Nachfragestau auflösen und der könnte auf ein geringeres Angebot stoßen, weil viele Unternehmen vom Markt verschwunden sein werden. Die während der Corona-Krise stark „gebeutelten“ Unternehmen könnten versuchen mit höheren Preisen ihre Gewinne zu maximieren. Andererseits dürften die Arbeitslosenzahlen noch für einen sehr langen Zeitraum hoch bleiben, sodass nicht mit einem substanziellen Anstieg von Löhnen und Gehältern zu rechnen ist. Die meisten Analysten gehen aufgrund der teils gegenläufigen Effekte davon aus, dass ein möglicher Preisanstieg von vorrübergehender Natur sein könnte. Man darf schon jetzt gespannt sein, wie die Notenbanken reagieren werden, sollte es trotzdem zu einem länger anhaltenden Preisanstieg kommen. Einerseits müssten sie dann eine etwas restriktivere Geldpolitik fahren, anderseits muss die Geldpolitik weiterhin extrem expansiv bleiben, wenn man nicht die nächste Wirtschafts- und Finanzkrise riskieren möchte.

Unsere Prognose ist: Die „Schuldenmacherei“ der Regierungen und die „Gelddruckerei“ der Notenbanken wird in forciertem Tempo weitergehen. In diesem Fall gilt das, was schon der Nationalökonom Adam Smith 1776 in seinem Werk über den Wohlstand der Nationen zu wissen glaubte: Haben Staatsschulden erst einmal eine gewisse Höhe in Relation zum GDP (Bruttosozialprodukt) erreicht, dann kann man nicht erwarten, dass sie jemals wieder zurückbezahlt werden. Letztlich wird es immer zu einem Schuldenschnitt kommen, bei dem Sparer erhebliche Vermögensverluste hinnehmen müssen.

Geldentwertung der letzten Jahre

Die expansive Geldpolitik der Notenbanken nach der Finanzkrise 2008/2009 hat die Preise nicht steigen lassen. Im Gegenteil: Das von den Notenbanken angestrebte Preissteigerungsziel von + 2 %/Jahr wurde jahrelang nicht erreicht. Die Ziel-Rate für die Preissteigerung wurde von FED-Chef Powell deshalb neu formuliert: Statt + 2 % in jedem einzelnen Jahr sollen es jetzt durchschnittlich + 2 % über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren sein. Da die Ziel-Rate mehrere Jahre unterschritten wurde, darf sie in den nächsten Jahren deutlich überschritten werden. Powell wollte mit dieser „Neuformulierung“ zum Ausdruck bringen, dass er selbst bei einer Preissteigerung von + 3 % oder mehr keine restriktive Geldpolitik betreiben werde, um den Preisauftrieb zu stoppen. Im Gegenteil: Die FED werde die Leitzinsen in den nächsten 3 Jahren bei „Null“ fixieren und gleichzeitig den Ankauf von US-Staatsanleihen (aktuell 80 Mrd. $/Monat) nicht einschränken. Auch Jerome Powell erwartet durch die Auflösung des Nachfragestaus nach Beendigung der Corona-Pandemie kräftige Preissteigerungen, aber die bleiben gemäß Powells jüngsten Aussagen ein temporäres Phänomen in wenigen Quartalen. Wir geben auf diese Einschätzung des FED-Chefs nicht viel bzw. gar nichts, weil Sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit als falsch erweisen wird. Aber was sollte ein Notenbanker auch sagen? Er muss zum einen seine Politik rechtfertigen, zum anderen denkt und agiert er immer nur kurzfristig. Notenbanker denken nicht darüber nach, was die Folgen ihrer Politik in zwei, drei oder fünf Jahren sein werden. Insofern ist die Aussage Powells, die Leitzinsen werden auch in drei Jahren noch bei „Null“ sein, ungewöhnlich und zugleich gefährlich, weil die Glaubwürdigkeit der FED leiden könnte. Vergessen Sie außerdem auch die Einschätzungen aus der „Finanz-Industrie“ zum Thema „Inflation“ und „Gold“. Das Hauptgeschäft der „Finanz-Industrie“ ist „Paper-Pushing“; mit physischem Gold, das außerhalb von Bank- und Brokerkonten gehalten wird, kann kein Gebührenertrag generiert werden. Die Analysten und Propagandisten der „Finanz-Industrie“ hassen Goldwie der Teufel das Weihwasser“, und sie werden immer Argumente finden, um Investments in Gold schlechtzureden resp. Phasen zu benennen, in denen Aktien und Bonds eine bessere Performance aufwiesen als Gold. Gute und schlechte Börsenphasen gibt es aber bei jeder Art von „Investment-Vehikel“.

Der gravierende Unterschied dabei ist, dass ein reines „Papier-Portfolio“ mit einer Vielzahl inhärenter Risiken behaftet ist: Inflations-Risiken, Zins-Risiken, Währungs-Risiken, Kredit-Risiken, Politik-Risiken, Bank-Risiken, Konjunktur-Risiken und Kontrahenten-Risiken. Gold kann man, anders als Schulden, nicht „weginflationieren“, anders als Anleihen kann Gold nicht „notleidend“ werden, und anders als Aktiengesellschaften kann Gold nicht „bankrott“ gehen. Anders als jede Währung unterliegt Gold schließlich keinem ständigen Kaufkraftverlust. Die Realität ist deshalb, dass Gold seine Kaufkraft in den letzten 5.000 Jahren immer erhalten konnte, während alle Währungen massiv an Kaufkraft verloren haben. Auch wenn die Entwicklung von Goldpreis und Kaufkraftverlust nie linear verläuft, so ist das Ergebnis bei langfristiger Betrachtung immer dasselbe. Sehen Sie selbst: Seit 1971 haben die wichtigsten Währungen bis zu 99 % an Kaufkraft verloren:

Goldpreis 1971Goldpreis aktuellKaufkraftverlust
US-$35 $1.744 $98 %
£15 £1.272 £99 %
DM/€65 €1.465 €96 %
C$35 C$2.185 C$98 %

Selbst seit dem Jahr 2000 ist der Kaufkraftverlust bei den wichtigsten Währungen enorm:

Goldpreis 2000Goldpreis aktuellKaufkraftverlust
US-$288 $1.744 $83 %
£177 £1.272 £86 %
DM/€286 €1.465 €80 %
C$417 C$2.185 C$81 %

Wie man sieht, hat die ehemalige Weltleitwährung Britisches Pfund in nur 20 Jahren 86 % an Kaufkraft verloren. Bei typischen Schwachwährungen ist der Kaufkraftverlust noch viel dramatischer. In Argentinischen Pesos gerechnet ist der Goldpreis von 288 im Jahr 2000 auf aktuell 161.036 gestiegen, was einem Kaufkraftverlust von 99,82 % entspricht. In Europa sorgte die ultralockere Geldpolitik der türkischen Notenbank in nur 3 Jahren für einen kapitalen Kaufkraftverlust der Türkischen Lira. Der Goldpreis stieg seit dem 9. April 2018 von 5.380 Türkischen Lira pro Unze auf aktuell 14.205 Türkische Lira, was einem Kaufkraftverlust von 62,1 % entspricht. Das Beispiel zeigt auch, dass es bei der Berechnung des Kaufkraftverlustes besser ist, sich am Goldpreis in der jeweiligen Landeswährung zu orientieren. Würde man sich nur an der Leitwährung US-$ orientieren, wäre die Berechnung des realen Kaufkraftverlustes verfälscht, da der US-$ selbst massiv an Kaufkraftverlust leidet. In den nächsten Jahren wird sich der massive Kaufkraftverlust selbst der wichtigsten Währungen wie US-$ und €uro noch beschleunigen. Wie Milton Friedman zurecht feststellte, ist „Inflation“ immer und überall ein monetäres Phänomen, wenn nämlich die Geldmenge schneller wächst als die Wirtschaft. Betrachten wir nun das Wachstum der Geldmenge M3 in den USA und im €uro-Raum seit dem Jahr 2000 (jeweils im Anfang Januar):

USA€uro-Raum
20004.667 Mrd. $4.723 Mrd. €
20108.459 Mrd. $9.326 Mrd. €
202015.416 Mrd. $13.006 Mrd. €
202119.394 Mrd. $14.548 Mrd. €

Wie man sieht, stieg die US-Geldmenge M3 allein in den letzten 12 Monaten so stark, wie in den 10 Jahren von 2000 bis 2010. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass ein Anstieg der Geldmenge M3 um + 25,8 % in nur 12 Monaten bei gleichzeitig negativem Wirtschaftswachstum in 2020 einen inflationären Impuls bewirken wird. Im €uro-Raum ist die Entwicklung vergleichbar, wenn auch etwas weniger dramatisch. Wenn man sich bei „Kaufkraftverlust“ resp. „Inflation“ an der Entwicklung des Goldpreises orientiert, dann geht es definitionsgemäß um die „Asset Price Inflation“. Der Anstieg der „Vermögenspreise“ ist aber tendenziell gefährlicher, weil er zur Verarmung weiter Bevölkerungskreise führt. Denken Sie an den Anstieg der Immobilienpreise und dem damit verbundenen Anstieg der Mieten. Wer extrem hohe Mieten bezahlen muss, der hat kaum eine Chance eigenes Vermögen aufzubauen. Ein nachhaltiger Vermögensaufbau und Vermögenserhalt funktioniert „per se“ aber nur mit Sachvermögen, wie man an den Geldentwertungsprozessen in den letzten Jahrzehnten gesehen hat. Wer sein Vermögen über Generationen erhalten will, der legt bekanntlich keinen Wurstvorrat an, sondern der kauft Gold, Immobilien oder Aktien. Der Anstieg der Preise für Konsumgüter ist für Durchschnittshaushalte weniger schädlich, da dieser in der Regel durch Lohnsteigerungen kompensiert wird. Beachten Sie aber, dass jeder „Asset Price Inflation“ mit einer gewissen Zeitverzögerung eine „Consumer Price Inflation“ folgt, und zwar so sicher wie das „Amen“ in der Kirche. Das Problem ist derzeit nur, dass sich Ökonomen, Analysten, Politiker und Anleger derzeit einen starken Anstieg der Konsumgüterpreise von vielleicht 5 % oder sogar 10 % pro Jahr (und das längerfristig) einfach nicht vorstellen können. Als wir es Ende der 70er Anfang der 80er Jahre mit einer ausufernden „Lohn-Preis-Spirale“ zu tun hatten, konnte auch niemand glauben, dass sich die Preissteigerungsraten und die Zinsen jemals wieder zurückbilden werden. Viele Anleger glaubten damals an eine Neuauflage der Hyperinflation vergangener Tage. Wer an eine Rückkehr zur „Normalität“ glaubte, der konnte damals traumhafte Investionen tätigen. So konnte man zum Beispiel Nullkoupon-Anleihen erwerben, die einem jährliche Renditen von 25 % garantierten. Wer solche Papiere für 4 $ oder 5 $ erwarb, der erhielt bei Fälligkeit der Anleihe volle 100 $ zurück. Heute ist die Situation durchaus vergleichbar. Wir stehen vor einer dramatischen „Gezeitenwende“, aber kaum jemand glaubt an die Rückkehr von „Inflation“ resp. an die Rückkehr einer „Zinsnormalität“. Das Schöne ist: Wer heute die Zeichen der Zeit erkennt, für den bieten sich erneut gewaltige Spekulationschancen.

Kommt jetzt die Inflation?

Im Jahr 1970 hat der Nobelpreisträger Milton Friedman folgenden Satz geprägt:

Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen, und zwar in dem Sinn, dass sie nicht ohne eine Vermehrung der Geldmenge stattfinden kann, die rascher ist als das Wachstum der Produktion“.

Milton Friedmann sah das Wachstum der Geldmenge mathematisch betrachtet als „notwendige Bedingung“ für einen Anstieg der „Inflation“. Welche „hinreichenden Bedingungen“ für einen Anstieg der Inflation gegeben sein müssen, sei für die praktische Geldpolitik unwesentlich. Es gelte deshalb die einfache Faustregel: „Lasst die Geldmenge nicht schneller wachsen als die Wirtschaft, dann werden die Preise stabil bleiben“. Jahrzehntelang hatten die meisten Notenbanker Friedmans einfache Faustregel im „Hinterkopf“, indem sie für eine Art „Gleichlauf“ beim Wachstum von Geldmenge und GDP sorgten.

Unverkennbar ist jetzt aber eine dramatische Veränderung eingetreten. Die Geldmenge ist in den letzten 12 Monaten regelrecht explodiert, während gleichzeitig die Wirtschaft geschrumpft ist. Ob nun nach der Quantitätsgleichung des Geldes

M x V = P x T

mit entsprechend starken Preissteigerungen zu rechnen ist, wird man sehen. Eine wichtige Rolle werden auch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (V) und das Handelsvolumen (T) spielen. Sicherlich ist die Situation heutzutage nicht so einfach wie im 16. Jahrhundert, als das spanische Gold und Silber aus Übersee nach Europa hereinströmte und für horrende Preissteigerungen sorgte. Der enorme Anstieg der Geldmenge traf damals auf ein vergleichsweise starres Angebot, sodass das Gleichgewicht nach dem Quantitätsgesetz des Geldes nur über ein steigendes Preisniveau (P) wiederhergestellt werden konnte.

Dass auch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes eine wichtige Rolle spielen kann, merkte man spätestens während der Hyperinflation in Deutschland 1922/1923. Die Kriegsfinanzierung veranlasste die Regierung 1914 den Goldstandard aufzuheben, damit die Reichsbank die Haushaltsdefizite monetär finanzieren konnte. Die Gelddruckerei führte dazu, dass sich der Notenumlauf bis zum Kriegsende um den Faktor 5,5 erhöht hatte, die Preise aber gleichzeitig um den Faktor 32,4 gestiegen waren. Die durchschnittliche jährliche Preissteigerungsrate betrug in dieser Zeit 350 %, was rein technisch noch kein Problem war. Zum Höhepunkt der Hyperinflation lag die Preissteigerungsrate allerdings bei 32.400 % pro Monat. Jeder war gezwungen, sein Geld sofort auszugeben, weil es schon am nächsten Tag kaum etwas wert war. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes stieg dramatisch an, was in der Folge den Preisauftrieb ins „Absurde“ beschleunigte. 1918 kostete eine Briefmarke noch 15 Pfennige, im November 1923 war eine gleichwertige Briefmarke mit dem Wert 10 Milliarden Mark bedruckt. Damals war das Geldsystem schon aus technischen Gründen zusammengebrochen, sodass man auf lokale Ersatzwährungen, den US-Dollar oder Tauschgüter (Zigaretten) zurückgreifen musste. Eine Währungsreform mit staatlicher Entschuldung war zwingend notwendig geworden.

Dass ein Staat Inflations- und Schuldenprobleme auch ohne Währungsreform lösen kann, bewiesen die Amerikaner mit ihren Kriegsfinanzierungen des II. Weltkriegs (1939-1945) und des Vietnam-Kriegs (1955-1975). Grundsätzlich ist es so, dass das sog. „Nominalwertprinzip“ gilt, das heißt, dass Schuldverträge nicht im Nachhinein an eine Geldentwertung angepasst werden. Jeder Schuldner hat deshalb die Möglichkeit seine Schulden mit „entwertetemGeld zurückzuzahlen. Da ein Staat Einfluss auf die Geldentwertung hat, tendiert er nur allzu gerne dazu, sich durch eine moderate Geldentwertung regelmäßig zu entschulden. Meist wird empfohlen, eine Preissteigerungsrate von 2 – 3 % zuzulassen. Dadurch steigen die nominalen Steuereinnahmen des Staates und alte Staatsanleihen lassen sich so leichter zurückbezahlen. Die Dummen sind die Gläubiger; sie erhalten nicht die volle Kaufkraft zurück, die sie dem Staat geliehen haben. Regierungen bevorzugen eine „Finanzielle Repression“ deshalb, weil eine harte „Schuldensanierung“ mit Haushaltskürzungen und Steuererhöhungen mit geringerem Wachstum und höherer Arbeitslosigkeit einhergehen würde. Vor allem in den 1960er und 1970er Jahren war die Politik stark von den Theorien eines John Maynard Keynes beeinflusst, der glaubte, man könne sich mit einer, durch eine expansive Geldpolitik hervorgerufenen höheren Inflation, eine geringere Arbeitslosigkeit erkaufen. Spätestens, als es mit den Ölpreisschocks der 1970er Jahre zu einer „Stagflation“ kam, bei der eine hohe Inflation und eine hohe Arbeitslosigkeit zusammentrafen, merkten die Ökonomen, dass sie auf dem „Holzweg“ waren. Inzwischen herrscht unter den Ökonomen Einigkeit darin, dass selbst eine moderate Inflation nicht mit einer besseren Wirtschaftslage und niedriger Arbeitslosigkeit einhergeht. Eine expansive Geldpolitik wirkt nur so lange positiv, wie sie nicht auf die Preise durchschlägt. Als es nach den beiden Ölpreis-Krisen (1974-1975 und 1980-1982) zu starken Preissteigerungen kam und schlagkräftige Gewerkschaften mit hohen Lohnforderungen durchkamen (Lohn-Preis-Spirale), zog Paul Volcker (FED-Chef von 1979-1987) die Notbremse. Ein Vierteljahrhundert nach Bretton Woods war es einfach noch zu früh, das bestehende Währungssystem an die Wand zu fahren. Paul Volcker erhöhte die US-Leitzinsen kurzerhand bis auf 20 %, um die Preissteigerungsrate einzubremsen und nahm eine kräftige Rezession in Kauf. Der damalige US-Notenbankchef triumphierte während seiner Amtszeit über die „Inflation“ und die Zinsen kannten nach seiner Amtszeit nur noch eine Richtung, nämlich nach unten.

Was unter Paul Volcker noch funktionierte, kann heute nicht mehr funktionieren. Die US-Staatsverschuldung lag Ende der 1970er Jahre bei rd. 30 % und nicht wie aktuell bei deutlich über 130 % des GDP. Würde Jerome Powell heute die Zinsen auch nur um wenige Prozente steigen lassen, dann würde das in kürzester Zeit zu vielen Staats- und Firmenbankrotten führen und es käme zu einer wirtschaftlichen Depression biblischen Ausmaßes. Statt der VarianteDepression“ setzt man richtigerweise auf die VarianteFinanzielle Repression“. Die schleichende Enteignung der Sparer („Haircut“) ist bequemer als staatliche Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen. Dass eine „Finanzielle Repression“ einen Staat erfolgreich entschulden kann, zeigt die US-Geschichte: Als Folge der großen Depression nach 1929 und der Kriegsfinanzierung während des II. Weltkriegs war die staatliche US-Verschuldungsquote von rd. 20 % des GDP in der Spitze bis 1945 auf 122 % des GDP gestiegen. Bei einer erfolgreichen „Finanziellen Repression“ muss eine Notenbank dafür sorgen, dass die Anleihezinsen tiefer sind als die Wachstumsrate des GDP. Wenn das reale Wachstum des GDP die reale Zinsbelastung übersteigt, dann wächst ein Staat langsam aus seinen Schulden heraus. Die USA haben es auf diese Weise geschafft, die Schuldenquote von 122 % auf 30 % (Mitte der 1970er Jahre) zu drücken. Im Unterschied zu damals ist die Verschuldung heute jedoch noch höher und die Zinsen dafür deutlich tiefer.

Und jetzt?

Obwohl es bereits erste Anzeichen einer sich anbahnenden „Konsumgüterpreisinflationsperiode“ gibt, wurde die „Inflations-Story“ bei den institutionellen Investoren bisher nicht als „kriegsentscheidend“ in die Anlageüberlegungen eingebaut. Es fehlt bei den meisten Akteuren der Anlageszene einfach an dem Vorstellungsvermögen, es könne in Zukunft wieder Preissteigerungsraten von 5 % oder 10 % geben. Außerdem können sich die großen Vermögensverwalter auf die Aussagen von FED-Chef Jerome Powell und anderen Notenbankern berufen, die ein echtes „Inflationsproblem“ schlichtweg ignorieren. Zwar wird eingeräumt, dass es durch die Auflösung des Nachfragestaus nach Überwindung der Corona-Pandemie zu einem substanziellen Preisauftrieb kommen wird, aber dieser Preisauftrieb soll, so wird vermutet, nur ein temporares Phänomen bleiben. Außerdem verweisen Notenbanker gerne darauf, dass in den letzten Jahrzehnten dank einer klugen Geldpolitik alle „Inflationsgefahren“ jederzeit beherrschbar waren. Falsch!

Es ist keineswegs allein das Verdienst von Notenbanken, dass es in den letzten Jahrzehnten keinen außergewöhnlichen Preisauftrieb oder gar eine gefährliche Lohn-Preis-Spirale gab. Richtig ist vielmehr, dass die Öffnung Chinas und anderer Schwellenländer dazu geführt hat, dass die Welt mit billigen Produkten überschwemmt wurde. Es ist in erster Linie der Globalisierung zu verdanken, dass seit den 1980er Jahren Löhne und Preise in Schach gehalten wurden. Ganz entscheidend unterstützt wurde dieser Trend durch die günstige demographische Entwicklung. Spätestens zu Beginn der 1980er Jahre sorgten die „Babyboomer“ für reichlich Nachschub am Arbeitsmarkt. Da es durch die Babyboomer jahrzehntelang nicht an Arbeitskräften mangelte und viele Unternehmen ihre Produktion ins „billigere“ Ausland verlagern konnten (Werkbank China), hatten die Gewerkschaften nicht die Möglichkeit, wie in den 1970er Jahren, mit aggressiven Lohnforderungen eine Lohn-Preis-Spirale in Gang zu setzen. Wir denken, dass die beiden FaktorenGlobalisierung“ und „Demographie“ in Zukunft die Bekämpfung von „Inflation“ nicht erleichtern, sondern ganz im Gegenteil erschweren werden. Warum? Es ist unverkennbar so, dass sich der „Globalisierungsboom“ nicht zuletzt wegen zunehmender Handelsstreitigkeiten verlangsamt hat. Um die Produktqualität und schnelle Lieferketten sicherzustellen, haben viele Unternehmen ihre Produktion wieder zurückverlagert. Geholfen hat dabei sicherlich auch der technische Fortschritt (Robotertechnik). Außerdem: China ist längst nicht mehr nur die verlängerte Werkbank für die entwickelten Industrieländer, die für billige Konsumgüter sorgt. China hat sich in den letzten Jahren zu einem hochentwickelten Industrieland gemausert, das am Weltmarkt selbst für eine riesige Nachfrage nach Konsumgüterprodukten sorgt. Während der pandemiebedingten Wirtschaftskrise in Europa und den USA hat die enorme Importnachfrage Chinas nach Autos, Maschinen, Luxusartikeln etc. einen noch stärkeren Einbruch des Wirtschaftswachstums bei den alten Industrieländern verhindert. Dass viele große Unternehmen ihre Gewinne während der Krise sogar steigern konnten, hängt mit der „Kaufwut“ chinesischer Konsumenten zusammen. Wir glauben deshalb, dass der FaktorGlobalisierung“ schon jetzt wegen der Wachstumsstärke Chinas nicht mehr „preisdämpfend“, sondern „preistreibend“ wirkt. China kauft nicht nur die Rohstoffmärkte leer, sondern ist inzwischen auch wichtigster Abnehmer von Konsumgütern. Nicht nur beim ThemaGlobalisierung“ hat sich „der Wind gedreht“.

Auch die „demographische Entwicklung“ befindet sich an einem „Wendepunkt“: Die „Babyboomer“ verabschieden sich in den Ruhestand und stehen dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. Viele Lehrstellen werden nicht mehr besetzt und die Industrie sucht händeringend nach gut ausgebildeten Fachkräften. Die Corona-Pandemie hat Jedem vor Augen geführt, dass es an Ärzten und Pflegekräften fehlt, und dass sich dieser Mangel wegen schlechter Bezahlung bei gleichzeitiger Arbeitsüberlastung weiter verschärfen wird. Der zunehmende Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften lässt uns vermuten, dass die Zeiten „vornehmer Zurückhaltung“ bei Lohnforderungen durch Arbeitnehmer längst vorbei sind. Das Verlangen von Arbeitnehmern nach deutlich höheren Einkommen ist auch keineswegs unverschämt. Wegen der gestiegenen Immobilienpreise und der gleichzeitig gestiegenen Mieten sind viele Familien kaum mehr in der Lage, mit dem verfügbaren Einkommen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es ist inzwischen nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall, dass in einer Familie beide Elternteile berufstätig sein müssen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Der zunehmende Mangel an Arbeitskräften bei viel zu niedrigen Einkommen ist der beste Nährboden für substanzielle Lohnsteigerungen. Der Wendepunkt bei der „Globalisierung“ von „preisdämpfend“ zu „preistreibend“ und der „demographische Wendepunkt“ von weltweit hohem Arbeitsangebot hin zu „Arbeitskräftemangel“ könnte über kurz oder lang sogar zum Phänomen einer „Lohn-Preis-Spirale“ führen. Die Frage stellt sich, warum die beschriebenen Strukturbrüche unterhalb der Wahrnehmungsschwelle von Politikern, Ökonomen, Analysten, Notenbankern und Anlegern stattfinden. Bei Anlegern und Spekulanten ist die Sache klar, sie denken meist nicht weiter als bis zu ihrer Nasenspitze resp. bis zum nächsten Handelstag. Auch Analysten und Ökonomen neigen dazu, Trends aus der Vergangenheit in die Zukunft zu extrapolieren („the trend is your friend“). Bei der Politik war es schon immer so, dass sie erst dann reagiert, wenn es bereits zu spät ist. Das viel zu späte Reagieren der Politik konnte man zuletzt wieder bei den Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung sehen. Bei den Notenbankern kann man nicht sicher sein, ob sie die Zeichen der Zeit längst erkannt haben. Es ist durchaus möglich, dass Notenbanker vermeiden möchten, durch verbale Statements bestehende „Inflationsgefahren“ zusätzlich anzuheizen. Das Problem der Notenbanker ist, dass sie Gefangene ihrer eigenen Politik geworden sind. Sie können nicht mehr, wie einst Paul Volcker, einem massiven Preisauftrieb mit einer restriktiven GeldpolitikParoli bieten“. Ein hartes „Durchgreifen“ mit einer restriktiven Geldpolitik würde in der heutigen Situation auf direktem Weg in die Katastrophe führen. Neben den Strukturbrüchen bei der „Globalisierung“ und der „Demographie“ gibt es also einen dritten Punkt, warum man die Vergangenheit in Sachen „Inflationsbekämpfung“ nicht in die Zukunft fortschreiben kann. Es ist doch so: Früher war das Primärziel der Notenbanken mit einer angemessenen Geldpolitik für „Preisstabilität“ zu sorgen. Schon bei sich am Horizont abzeichnenden „Inflationsgefahren“ verfolgten die Notenbanken früher eine restriktivere Geldpolitik. Inzwischen haben die Notenbanken ihre Rolle längst neu definiert. Die „Kernaufgabe“ der Notenbanken besteht inzwischen darin, gravierende Finanz- und Wirtschaftskrisen zu verhindern und ansonsten für „Vollbeschäftigung“ zu sorgen. In den letzten Jahren beklagten sich die Notenbanker zunehmend darüber, dass sie eine verfehlte Fiskalpolitik durch eine expansive Geldpolitik ausgleichen mussten, um konjunkturelle Wachstumseinbrüche zu verhindern. Notgedrungen hat die Politik inzwischen reagiert, und ihre „Austeritätspolitik“ aufgegeben. Milliardenschwere Konjunkturprogramme wurden inzwischen aufgelegt, und solche Fiskalmaßnahmen wirken natürlich preistreibend. Da die milliardenschweren Konjunkturprogramme meistens schuldenfinanziert sind, werden die weltweiten Trends zu einer höheren Staatsverschuldung weiter beschleunigt. Mit dem eskalierenden Schuldenproblem werden die Handlungsmöglichkeiten von Notenbanken in Sachen „Inflationsbekämpfung“ weiter eingeschränkt. Aggressive Erhöhungen der Leitzinsen zur „Inflationsbekämpfung“ sind gar nicht mehr möglich, weil sowohl Staaten als auch überschuldete Unternehmen in arge Bedrängnis gerieten. Und: Da sich zu den aktuell niedrigen Zinsen nicht mehr genug Investoren finden, die bereit sind, die defizitären Staatshaushalte zu finanzieren, sind die Notenbanken gezwungen, die staatlichen „Schrottpapiere“ mit frisch gedrucktem Geld selbst zu kaufen („Quantitative Easing“). Die eigentlich verbotene monetäre Staatsfinanzierung und die damit verbundene Geldmengenausweitung ist natürlich ebenfalls preistreibend. Sie erinnern sich: Inflation ist immer und überall ein monetäres Problem!

Die Erzeugerpreise als Vorboten!

Der Anstieg des CRB-Rohstoff-Index um + 65 % seit 1. Mai 2020 und die „Preis-Explosion“ bei den Frachtraten machen deutlich, dass eine massive „Preiswelle“ auf uns zu rollt. Der Preis für einen Standard-Container von China nach Europa stieg seit Nov. 2020 von 2.000 $ auf bis zu 12.000 $ (+ 500 %). Die Frachtraten für Rohstoffe (Baltic Dry Index) stiegen von 423 $ auf 2.277 $ (+ 438 %). Beispiele für Preisanstiege an den US-Rohstoffbörsen seit 1. Mai 2020: WTI Öl + 214 %, Bauholz (Lumber) + 300 %, Baumwolle + 51 %, Mais + 85 %, Schweine + 64 %, Rinder + 62 %, Kupfer + 82 %, Aluminium + 56 %.

Auch das deutsche Statistische Bundesamt hat kürzlich einen Hinweis für unsere These geliefert. Demnach sind die deutschen Erzeugerpreise im März (im Vergleich zum März 2020) um + 3,7 % gestiegen. Dies war der stärkste Anstieg seit November 2011. Verantwortlich für den Anstieg der gewerblichen Erzeugerpreise waren höhere Preise für Energie (+ 8 %) und Vorleistungsgüter wie metallische Sekundärstoffe (+ 46,8 %), Futtermitteln für Nutztiere (+ 15,9 %), gesägtem Holz (+ 13,9 %) und Metallen (+ 12,9 %).

Da sich bei Rohstoffen gerade ein neuer „Superzyklus“ etabliert, werden sich diese Preisanstiege fortsetzen. Ein Anstieg der Erzeugerpreise ist immer ein Hinweis auf eine bevorstehende „Konsumgüterpreisinflation“, weil die Unternehmen die höheren Kosten auf die Verbraucher umlegen. Da mit einem Ende der Corona-Pandemie eine Auflösung des Nachfragestaus zu erwarten ist, werden die Unternehmen diesmal kein Problem damit haben, die höheren Kosten auf ihre Kunden abzuwälzen. Die Ökonomen hatten sich mit ihrer Prognose zum Erzeugerpreisanstieg im März (sie erwarteten + 3,3 %) mal wieder deutlich verschätzt. Was bedeutet das nun für die Zukunft der Verbraucherpreise?

Für das Jahr 2021 erwarten die Ökonomen im Durchschnitt einen Anstieg der Konsumgüterpreise um + 1,5 %. In 2020 betrug der Anstieg pandemiebedingt nur noch + 0,5 %. Aus diesen beiden Zahlen kann man natürlich nicht auf einen „Gezeitenwechsel“ bei der „Konsumgüterpreisinflation“ schließen. Aber: In den letzten 27 Jahren lag die durchschnittliche Preissteigerungsrate bei 1,3 %. Die Schwankungsbreite lag dabei zwischen + 0,3 % (in 2009) und + 2,6 % (in 1994 und 2008). Insgesamt gab es also 27 Jahre lang Ruhe an der „Preisfront“. Ganz anders sah die Situation in den 1970er Jahren aus: In den 11 Jahren von 1971 bis 1981 (inkl.) lag die durchschnittliche jährliche Preissteigerungsrate bei erstaunlichen + 5,1 %! Nach der radikalen „Antiinflationspolitik“ durch den damaligen FED-Chef Paul Volcker hatte sich die durchschnittliche jährliche Preissteigerungsrate in den 1980er Jahren ungefähr halbiert. Erst in den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung gingen die Preise temporär wieder stärker nach oben, nämlich um + 2,8 % in 1990, um + 3,7 % in 1991, um + 5,0 % in 1992 und um + 4,5 % in 1992. Genau wie heute wurden auch damals riesige schuldenfinanzierte Fiskalpakete geschnürt. Die Jahre nach der Wiedervereinigung haben deshalb gezeigt, dass ein durch eine Sondersituation entstandener Nachfrageschub die Preise deutlich in die Höhe treiben kann. Den Preis-Effekt durch die Auflösung des pandemiebedingten Nachfragestaus und durch die gewaltigen Fiskalpakete schätzen wir dabei wesentlich größer ein als den Preis-Effekt durch die deutsche Wiedervereinigung. Warum dürfte der Preisauftrieb durch die aktuelle Sondersituation diesmal kräftiger und nachhaltiger ausfallen?

Um eine solche Ansage zu machen, brauchen wir keinen Großcomputer, um alle volkswirtschaftlichen Daten zu erfassen, wie das die führenden Ökonomen tun. Es genügt der „gesunde Menschenverstand“, zumal die Themen „Globalisierung“ und „Demographie“ in den Computermodellen der Ökonomen erst gar nicht berücksichtigt werden.

In den 1990er Jahren war die Deutsche Bundesbank ihren Stabilitätszielen verpflichtet und agierte mit einer entsprechend angepassten Geldpolitik. Heute ist alles anders. Die Regie hat die EZB übernommen, und die verfolgt, genau wie die FED, eine ultralockere Geldpolitik. In Kombination mit der ausufernden Schuldenpolitik, die wegen der Corona-Pandemie nicht zu vermeiden war, sieht das Ergebnis wie folgt aus:

  • Rekordverdächtige Aufblähung der Notenbankbilanzen durch eine hemmungslose „Gelddruckerei
  • Rekordverdächtige Ausweitung der Geldmenge
  • Negative Leitzinsen
  • Negative Renditen bei deutschen Staatsanleihen
  • Rekordverdächtige Schuldenaufnahme
  • Staatsfinanzierung mit der Notenpresse
  • Rekordanstieg bei Vermögenspreisen (Immobilien, Rohstoffe, Aktien)

Gleichzeitig gibt es einen Investitionsstau bei:

  • Ausbau und Erneuerung der Infrastruktur
  • Digitalisierung von Staat und Wirtschaft
  • Umweltschutzmaßnahmen zur Erfüllung der Klimaziele
  • Bildung

Zu dem Investitionsstau bei Staat und Industrie hat sich jetzt wegen der „Lockdowns“ und „Shutdowns“ zu allem Überfluss ein „Nachfragestau“ bei „Konsumgütern“ gesellt. Wenn man nun wie bei „Adam Riese“ „eins + eins“ zusammenrechnet, dann kann man sich leicht vorstellen, was das alles in Sachen „Konsumgüterpreisinflation“ bedeutet. Pandemiebedingt ist es derzeit doch so, dass nicht die Wirtschaft den Staat finanziert, sondern der Staat die Wirtschaft. Wie lange dieser Zustand noch anhalten wird ist schwer zu sagen. Es wird wohl darauf ankommen, dass es nach der dritten Welle nicht noch eine vierte oder fünfte Welle mit mutierten Viren gibt.

Wir stellen fest: Eine massive „Inflationsgefahr“ droht jetzt aus allen Richtungen gleichzeitig, und die Auflösung des Nachfragestaus nach Ende der Corona-Pandemie wird zur „Initialzündung“. Der große Nachholbedarf wird es den Unternehmen erleichtern, höhere Preise durchzusetzen. Mit höheren Preisen müssen die Unternehmen versuchen, die Umsatzausfälle der letzten beiden Jahre wettzumachen, um trotz der inzwischen höheren Schuldenbelastung zahlungsfähig zu bleiben. Wir gehen davon aus, dass nach der „Initialzündung“ die Preise zunächst viel stärker steigen, als das viele Ökonomen derzeit vermuten. Eine einmal in Gang gesetzte „Preissteigerungs-Welle“ ist auch gar nicht leicht zu stoppen, und schon gar nicht verflüchtigt sie sich ganz von alleine. Jeder Notenbanker müsste eigentlich wissen, dass es einen derartigen Automatismus nicht gibt und noch nie gegeben hat. Richtig ist vielmehr, dass eine einmal in Gang gesetzte „Preissteigerungs-Welle“ ein sich selbst verstärkendes Gebilde ist. Dies gilt erst recht, wenn die Notenbanken, wie angekündigt, ihre ultralockere Geldpolitik unbeirrt fortsetzen.

Jeder Anleger wäre demnach gut beraten, seine Anlagestrategie an einem länger anhaltenden „Inflationsszenario“ auszurichten.

Wie investieren im Inflationsszenario?

Niemand wird ernsthaft widersprechen, wenn wir pauschal behaupten, dass ein „Inflationsszenario“ für Sachwerte wie Immobilien, Edelmetalle und Aktien eher günstig, und für Anleihen, Bargeld, Bankguthaben und Lebensversicherungen eher ungünstig ist. Wir möchten es bei dieser pauschalen Aussage aber nicht bewenden lassen, denn „die Tücke steckt bekanntlich im Detail“. Ein Blick auf die Historie macht deshalb Sinn. Was ist z.B. aus unterschiedlichen Geldanlagen im Zeitraum zwischen 1913 und 1923 geworden:

Aktien: Der Aktienhandel war während der Kriegszeit für private Investoren eingeschränkt. Am 30. Juli 1914 mussten in Deutschland die Börsen schließen, um Panikverkäufe zu verhindern, und erst am 2. Januar 1918 wurde der Handel wiederaufgenommen. Zu verdienen gab es mit Aktien allerdings nichts, da die Preise schneller stiegen als die Aktienkurse. Von Dezember 1913 bis Dezember 1920 stieg der vom Statistischen Reichsamt berechnete Aktienindex ausgehend von einem Basiswert von 100 auf 274. Der ebenfalls vom Statistischen Reichsamt berechnete Lebenshaltungskostenindex stieg im gleichen Zeitraum von einem Basiswert von 100 auf 1.158. Da die Lebenshaltungskosten um das 11,5-fache gestiegen waren, blieb von dem Aktien-Kursgewinn von + 174 % real kaum etwas übrig. Als die heiße Phase der Hyperinflation begann, wurde es etwas besser. Der Aktienindex stieg zwar bis Dezember 1923 auf 26,9 Billionen, der Lebenshaltungskostenindex legte im gleichen Zeitraum aber auf 124,7 Billionen zu. Inflationsbereinigt haben Anleger mit Aktien demnach 78, 4 % verloren. Mit z.B. in US-Dollar notierten Auslandsaktien hätten Anleger ihr Vermögen theoretisch retten können. Praktisch wurden mit Verordnung vom 22. März 1917 ausländische Papiere zwangsweise eingezogen und die Besitzer mit Papiermark „entschädigt“. Da die Papiermark durch die Hyperinflation restlos entwertet wurde, brachte der Besitz von Auslandsaktien letztlich einen Totalverlust.

Anleihen: Mit einem Totalverlust endete auch der Besitz von verzinslichen Wertpapieren. Staatliche Kriegsanleihen wurden 1923 entwertet und Hyperinflation + Währungsreform sorgten dafür, dass angespartes Vermögen vollkommen ausradiert wurde.

Immobilien: Die Hyperinflation ließ die Hausbesitzer temporär wie die großen Gewinner aussehen. Der Realwert der Immobilienkredite wurde fast ausradiert, während die Häuser ihren Wert behielten. Mit der „Hauszinssteuer“ auf vor dem 1. Juli 1918 erworbene Häuser schöpften die deutschen Länder ab 1924 das durch die Inflation entschuldete Immobilienvermögen wieder ab. Die „Immobilien-Gewinnler“ sollten sich am öffentlich geförderten Wohnungsbau beteiligen und „durften“ bis zu 51 % ihrer Mieteinnahmen abliefern. Die Zwangsabgabe hatte für den Häusermarkt verheerende Folgen. Die Hauspreise stürzten ab, weil viele Hausbesitzer die Lasten nicht mehr tragen konnten und ihre Immobilie verkaufen mussten. Der Absturz der Immobilienpreise um rd. 50 % war nicht das einzige Ärgernis. Die „Hauszinssteuer“ musste noch 2 Jahrzehnte lang bezahlt werden, bis sie zum 1. Januar 1943 abgeschafft wurde. Die Abschaffung ließ sich der Staat mit einer „Ablösesumme“ in Höhe der 10-fachen jährlichen Steuerlast honorieren. Fazit: Auch der Besitz von Immobilien brachte herbe Verluste, aber zumindest konnten Hausbesitzer einen Teil ihres Vermögens retten.

Gold: Mit Gold konnte während der Hyperinflation zwar kein realer Gewinn erzielt werden, aber es behielt wie keine andere Anlageklasse seinen Wert. Mit Goldbarren und Goldmünzen (auch mit goldgedeckten US-Dollar) konnten Anleger die Kaufkraft ihres Vermögens voll erhalten. Zwar war die Fungibilität von Gold wegen des zwischen 1923 und 1931 bestehenden Verbots von privatem Goldbesitz eingeschränkt, aber im Vergleich mit allen anderen Anlageklassen bot Gold den besten Schutz vor Kaufkraftverlusten.